Wie groß ist der Anteil an Lehrkräften, die die digitalen Unterrichtsmittel befürworten und sie im Unterricht einsetzen?
Dazu gibt es unseres Wissens nach keine belastbare Erhebung.
Inwieweit reicht das Angebot an Weiterbildungen für den Einsatz digitaler Unterrichtsmittel aus, um den Bedarf zu decken?
Wir hören von Lehrkräften oft, dass sie sich mehr Weiterbildungen wünschen und bieten diese auch als GEW M-V selbst an. Meist sind diese Angebote sehr schnell ausgebucht. Allerdings sind auch dies nur Momentaufnahmen. Zu vermuten ist, dass durch den »erzwungenen« Digitalisierungsschub der Bedarf aktuell höher ist als das Angebot.
Zu welchem Anteil sind die Schulen infrastrukturell in der Lage, digitale Unterrichtsmittel flächendeckend einzusetzen?
Das berührt zwei Fragen: Es geht einerseits um die technische Ausstattung, dafür sind die jeweiligen Kommunen verantwortlich – in Rostock also Bürgermeister Madsen. Andererseits geht es um die inhaltliche Gestaltung eines digitalen Angebots. Dafür ist das Land zuständig. Bei beidem ist, das zeigen uns die Rückmeldungen aus der Umfrage des Landeselternrates und Landesschülerrates vom Januar, noch viel Luft nach oben.
Welchen Eindruck hat die GEW grundsätzlich von der neuen landesweiten Lernplattform »itslearning« insbesondere im Vergleich zu vorher eingesetzten Programmen?
Das Land hat sich für »itslearning« entschieden. Dafür gibt es sicherlich gute Gründe. Dennoch ist die Nutzung dieser Plattform für die Schulen bisher freiwillig. Auch deshalb, weil notwendige Mitbestimmungsprozesse noch nicht abgeschlossen sind. Hier geht es nicht nur um die technische Seite eines Produktes. Vielmehr müssen wir auch darüber sprechen, was das für die Lehrkräfte bedeutet. Aktuell führt der digitale Unterricht zu entgrenzten Arbeitszeiten und dem Verlust von Privatsphäre. Da viele Schulen noch nicht ausreichend ausgestattet sind, müssen Lehrkräfte auf eigene Geräte und eigene Infrastruktur, wie etwa private Telefonverträge zurückgreifen und teils aus dem heimischen Wohnzimmer heraus unterrichten. Das wäre in der freien Wirtschaft undenkbar! Natürlich wissen auch die Pädagog:innen um die besondere Situation. Dennoch müssen diese Fragen thematisiert werden.
Was ist die Meinung der GEW dazu, dass immer mehr Schüler:innen zu elektronischen Geräten – insbesondere Tablets – greifen, um sich Mitschriften im Unterricht zu machen?
Wenn es eine entsprechende pädagogische Einbindung gibt – warum nicht? Wichtig wäre, dass auch dabei Pausen eingehalten werden und Mindmaps und Ähnliches zur vertieften Verarbeitung von Informationen eingesetzt werden.
Wie bewertet die GEW die Wirksamkeit der Maßnahmen, welche dem Mangel an Lehrkräften in Mecklenburg-Vorpommern abhelfen sollen?
Bis zu welchem Grad befürwortet die GEW den Einsatz von Seiteneinsteiger:innen, um den Lehrkräftemangel abzuschwächen?
Einen Teil dieser Maßnahmen haben wir mit verhandelt und befürworten sie. Dennoch sind sie aus unserer Sicht nicht ausreichend. Wir haben ein rund 80 Punkte umfassendes Personalentwicklungskonzept entwickelt, dass vom Lehramtsstudium beginnend, über alle Berufsphasen – auch den Seiteneinstieg – hinweg, auflistet, was getan werden muss, um den Beruf attraktiv zu gestalten, Einstiege zu ermöglichen und dazu beizutragen, dass Lehrkräfte lange und gesund an den Schulen unterrichten können. Unser Ziel ist es genügend grundständige Lehrkräfte auszubilden, um den Bedarf zu decken. Wir erkennen jedoch auch an, dass zurzeit diese Zahl an Lehrkräften, aufgrund von Versäumnissen der bisherigen Bildungspolitik, nicht zur Verfügung steht. Seiteneinsteiger:innen sind unsere Kolleginnen und Kollegen in den Schulen. Sie verdienen Begleitung, Unterstützung und Weiterbildung, um sich das notwendige pädagogische Rüstzeug anzueignen und Anerkennung für ihren Einsatz trotz schwieriger Arbeits- und Ausbildungsbedingungen. Klar ist aber auch, nicht alle, die Lehrer:innen im Seiteneinstieg sein wollen, dies auch können.
Wie steht die GEW zu dem Konzept, dass auch nach der Referendariatszeit noch verbindliche Hospitationen zum kollegialen Feedback durchgeführt werden, um die Unterrichtsqualität zu sichern?
Kollegiales Feedback ist in jeder beruflichen Phase wichtig und kann wichtige Hinweise für die Verbesserung von Unterricht liefern.
Welche Entwicklung beobachtet die GEW bei der Motivation neuer Lehrkräfte für den Beruf, nachdem als zusätzlicher Anreiz für das Lehramtsstudium die Verbeamtung eingeführt wurde?
Es gibt gute Untersuchungen dazu, dass nicht die Verbeamtung ausschlaggebend für die Berufswahl ist. Sie wird es erst, wenn es im Ländervergleich unterschiedliche Systeme gibt, was dann dazu führt, dass die Länder mit Verbeamtung einen Vorteil bei der Fachkräftegewinnung haben. Insofern war der Gedanke schon nachvollziehbar, auch in M-V die Verbeamtung einzuführen. Bundesweit organisiert die GEW übrigens deutlich mehr verbeamtete als angestellte Lehrkräfte. Deshalb war das für uns kein Neuland und wir können auch verbeamteten Kolleg:innen als ihre Fachgewerkschaft sehr gut zur Seite stehen. Die Verbeamtung hat viele positive Seiten für die einzelne Lehrkraft. Schwierig wird es dort, wo Beamt:innen um ihre eigenen Interessen durchzusetzen nicht streiken dürfen. Über die Besoldung entscheidet der Dienstherr ziemlich einseitig. Aber auch da sind wir als Gewerkschaft in der Interessenvertretung nicht wegzudenken.
Inwiefern sind die derzeitigen ministeriellen Maßnahmen zur Sicherung der Unterrichtsqualität aus Sicht der GEW ausreichend?
Welche sind hier gemeint? 😉 Spaß beiseite… Aus unserer Sicht haben wir einen enormen Personalmangel im Schulsystem; eine hohe Anzahl von Kolleg:innen im Seiteneinstieg, die Begleitung und Qualifizierung brauchen und zugleich viele offene Stellen. Damit ist es schwer, gut und intensiv über Qualitätsentwicklung zu reden. Feedback, Hospitationen, Schulentwicklung – all das braucht Zeit, d.h. Lehrer:innen brauchen Zeit, die sie nicht haben.
Inwieweit reichen die derzeitigen zeitlichen und personellen Ressourcen aus, um der individuellen Förderung aller Schüler:innen gerecht zu werden?
Ganz kurz: Meist gar nicht. Das muss man leider so sagen. Dem echten Anspruch einer inklusiven Schule wird M-V nach wie vor nicht gerecht.
Welche Beobachtungen macht die GEW hinsichtlich der Annahme, dass Kinder und Jugendliche von Eltern mit Hochschulabschluss eher das Abitur ablegen würden als diejenigen, deren Eltern einen solchen Abschluss nicht besitzen?
Wie bewertet die GEW dies?
Das ist nach wie vor der Fall und aus Sicht der GEW nicht hinnehmbar. An diesem Thema arbeiten wir als Gewerkschaft schon seit vielen Jahren auch auf Bundesebene.
Ist das Pensum der Rahmenpläne im Unterricht unter Berücksichtigung der Zeit für die individuelle Unterrichtsgestaltung zu schaffen? Wie häufig müssen Inhalte des Rahmenplans gestrafft werden, um seinen inhaltlichen Anforderungen gerecht zu werden?
Die GEW M-V setzt sich für einen Wandel im System ein. Circa alle vier Jahre verdoppelt sich das Weltwissen. Wir halten es nicht für zielführend, allein darauf zu setzen, bestimmte Inhalte wiedergeben zu können. Vielmehr muss es darum gehen, Kompetenzen zu entwickeln und das Lernen zu lernen. Um das zu erreichen, braucht es eine kleine Revolution. Wir arbeiten daran.
Wie bewertet die GEW die Situation hinsichtlich des Arbeitspensums der Lehrkräfte für eine Unterrichtsstunde im Vergleich von Sekundar- und Oberstufe unter Berücksichtigung, dass für beide Stunden das gleiche Zeitbudget zur Verfügung steht?
Anders als andere Interessenvertretungen ist die GEW M-V für die Lehrkräfte aller Schularten Ansprechpartnerin und Vertretung. Deshalb haben wir auch einen guten Einblick in den jeweiligen Arbeitsaufwand. Da, wo es aus Sicht der Lehrkräfte dringend notwendig ist, fordern wir deshalb regelmäßig Abminderungsstunden, etwa wenn es um Kontrolltätigkeiten oder andere Aufgaben geht. An dem Bashing zwischen Grundschule und Sek II beteiligen wir uns hingegen nicht. In allen Schulformen haben die Kolleginnen und Kollegen Aufgaben, die die jeweils anderen nicht sehen (können), die aber für alle Kolleg:innen wichtig sind, da alle mit allen Kindern mehr oder weniger arbeiten und damit Teil eines Gesamtteams sind. Gerade Kolleg:innen, die die Doppelqualifikation haben und auch in beiden Bereichen gearbeitet haben, können das bestätigen.
Wie hat sich die Leistungsbereitschaft der Schüler:innen in den letzten Jahren entwickelt?
Was meint Leistungsbereitschaft? Die Bedingungen unter denen Schüler:innen ihre Abschlüsse ablegen, haben zu allen Zeiten ihre eigenen Herausforderungen. Ein Vergleich muss deshalb immer hinken. Auch stellt sich immer die Frage, wie sehr Schulen Leistungen so herausfordern, dass Schüler:innen gerne Leistung zeigen und umgekehrt Schüler:innen sich in die Entwicklung ihrer Schule so einbringen, dass sie dort gerne leben, lernen und leisten.
Inwieweit hat sich physische und psychische Gewalt gegenüber Lehrkräften in den vergangenen Jahren verändert?
Hierzu gibt es dahingehend Zahlen, dass die Gewalt und die Gewaltbereitschaft angestiegen sind. Das entspricht auch dem Empfinden von Kolleginnen und Kollegen. Die GEW M-V hat hierzu eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich mit den Ursachen und Fakten befasst und Maßnahmen zur Abhilfe entwickeln will.
Welche Position vertritt die GEW bei der Entwicklung, dass immer mehr Schüler:innen die Gymnasien des Landes besuchen?
Die Grundsatzposition der GEW ist »eine Schule für alle«. Wir halten in unserer modernen Gesellschaft den Ansatz eines Schulsystems aus dem 19. (!) Jahrhundert in jeder Hinsicht nicht mehr für zeitgemäß. Bildung gerecht zu ermöglichen, heißt alle Schüler:innen mit ihren individuellen Voraussetzungen dort zu fordern, wo sie stark sind und dort zu fördern, wo sie Unterstützung benötigen. Junge Menschen sollen sich gemeinsam erleben können und dabei auch feststellen dürfen, dass Unterschiede bestehen und solidarische Unterstützung wichtig ist. Aber die Schulen müssen gleichzeitig in der Lage sein, alle Schüler:innen gleichermaßen beim Lernen zu unterstützen – unabhängig von ihren Lernvoraussetzungen und der Herkunft. Bildung sollte sich dabei nicht in erster Linie nach den Erfordernissen der Wirtschaft, sondern nach dem Ziel eines selbstbestimmten Lebens in der Demokratie richten.
Wir freuen uns über lernstarke Kinder und Jugendliche in allen Schulformen und wollen sie dabei unterstützen, den für sie richtigen Weg zu gehen. In unserem aktuellen Schulsystem bedeutet das, dass wir im ersten Schritt gute Schulen in allen Schularten benötigen.
Wie hat sich die Bereitschaft der Eltern, ihre Kinder und Jugendlichen gegenüber den Lehrkräften in alltäglichen Situationen zu vertreten, verschärft?
Wie bewertet die GEW diese Entwicklung und die getroffenen Gegenmaßnahmen?
Dass Eltern ihre Kinder vertreten, ist doch zunächst einmal etwas Gutes. Immerhin besser, als wären sie nicht an der Schule ihrer Kinder interessiert. Aber es hilft schon, wenn man die eigenen Kinder stärkt, den Alltag – in diesem Falle eben den Schulalltag – selbst zu bewältigen. Wenn wir von Eltern hören, die die Kinder bis in den Klassenraum hinein begleiten und dann noch die Tasche auspacken, ist das sicher das eine Extrem. Das andere sind jedoch Eltern (und auch davon gibt es viele), die sich in keiner Weise für ihre Kinder und deren Schulerfolge interessieren. In beiden Fällen ist viel Arbeit von Seiten der Pädagog:innen gefragt und eigentlich braucht es dafür und aus vielen anderen Gründen an jeder Schule mindestens eine:n Schulsozialarbeiter:in.