Interview mit dem Hansa-Trainer

Guten Tag, zunächst möchten wir uns dafür bedanken, dass Sie sich die Zeit genommen haben, einige unserer Fragen zu beantworten. Lassen Sie uns vielleicht erst einmal mit den Grundlagen beginnen: Sie heißen Jens Härtel und trainieren den Fußballverein Hansa Rostock, richtig?

Ja.

Wie kam es dazu, dass Sie Trainer werden wollten?

Das ist eine längere Geschichte.  Also ich glaube, das war in der Mitte meiner eigenen Fußballkarriere. Da hatte man viele Trainer und konnte dann auch sagen, das war gut und das war nicht so gut. Das Interesse daran und der Gedanke, dass das eigentlich Spaß macht und interessant ist, waren schon immer da. Man hat viele Dinge schon übernommen und notiert, da war mir eigentlich schon als Spieler klar, dass ich irgendwann mal Trainer werden möchte. Ob ich davon meinen Lebensunterhalt bestreiken kann, das war mir eigentlich egal. Es hätte auch eine Kindermannschaft sein können, aber diese Liebe zum Fußball und der Wille, die eigenen Ideen zu verwirklichen, waren schon als Spieler gegeben.

Wie verlief Ihre Karriere, als sie selbst Fußballspieler waren?

Ich bin ein DDR-Kind, das heißt, ich bin in dem Sportsystem der DDR aufgewachsen. Das war ein Pyramidensystem, wo von Anfang an gesichtet wurde und über Kreisauswahl, Bezirksauswahl und Kinder- und Jugendsportschule der eigene Weg ein Stück weit vorgezeichnet worden ist. Ich bin in Leipzig auf der Sportschule gewesen und  war in der zweiten Liga in der DDR. Dann kam die  Wende.  Es war dann erst einmal schwierig, denn es durften zunächst nur die ersten zwei –  also Hansa und Dynamo Dresden –  in die Bundesliga aufsteigen. Sechs Mannschaften haben dann noch in der zweiten Liga gespielt und der Rest gehörte auf einmal zu den Amateuren. Dadurch musste man parallel noch einen weiteren Beruf ausüben.  Ich war in der Gebäudereinigung und spielte in der dritten Liga in Leipzig. Nach drei Jahren gab es dann die Möglichkeit, nach Berlin zur Union zu wechseln. Die sind eigentlich in dem Jahr in die zweite Liga aufgestiegen, ihnen wurde dann aber die Lizenz wieder aberkannt und so waren die dann doch wieder in der dritten Liga, aber das zählte trotzdem zum professionellen Fußball . Damit konnte man dann also auch  sein Geld verdienen und somit musstest du nicht noch nebenher einen Job machen. Ich wollte dann aber unbedingt in der zweiten Liga spielen. Nach zwei Jahren bei der Union bin ich nach Zwickau gegangen, hab dort zwei Jahre in der zweiten Liga gespielt und dann sind wir  leider abgestiegen. Ich bin dann wieder zurück nach Berlin für zwei Jahre und anschließend noch einmal für ein Jahr nach Leipzig. Dann ging es nach Babelsberg. Dort habe ich dann am Ende aufgehört, um leistungsmäßig Fußball zu spielen. In Schöneiche bei Berlin war dann im Nachgang meine erste Trainerstation.

Wollten Sie schon immer Trainer werden?

Das hat sich entwickelt, also als junger Spieler, da denkt man noch nicht so viel übers Training  nach. Da geht man zum Training und ist dann gespannt, was der Trainer für Sachen verlangt. Je länger man dann als Spieler selbst am Training teilnahm, desto  mehr wollte man dann selbst auch Trainer sein.

Seit wann sind Sie schon als Trainer tätig?

Angefangen habe ich 2004 mit meinen Jungs – also mit meinen Kindern. Ich  habe bei uns im Dorf einmal in der Woche mit den Jungs trainiert.  Richtig Trainer war ich dann ab Mai 2005 in Schöneiche in der Verbandsliga. Seitdem bin ich Trainer, da war es aber noch nebenberuflich und ab 2007 habe ich hauptberuflich  als Co-Trainer in Babelsberg gearbeitet.  Zu dem Zeitpunkt konnte ich von dem  Geld auch leben.

Sind Sie mit ihrer Tätigkeit zufrieden? Gibt es Vorteile oder Nachteile?

Es gibt, so glaube ich, in jedem Job Vor- und Nachteile. Das ist mit dem Beruf des Fußballtrainers genauso. Es gibt unfassbar schöne, emotionale Momente, die man vielleicht in einem anderen Job nicht so hat. So wie zum Beispiel am 22. Mai 2021, wenn man nach neun Jahren 3. Liga mit einem Traditionsverein wie Hansa Rostock den Aufstieg feiert. Die Euphorie ist hier groß und man wird auch ein Stück weit gefeiert und beglückwünscht. Das ist dann natürlich sehr angenehm. Daneben gibt  es  dann aber eben auch Schattenseiten. Man verliert Spiele und/oder seinen Job, da man auch immer abhängig von den Ergebnissen der Spiele ist. Das beeinflusst natürlich auch die eigene Stimmung.  Wenn man gewinnt, ist alles gut. Man ist gelöst, man ist locker und gut drauf.  Wenn man aber verliert, ist es auch manchmal so,  dass man sich dann ärgert, grübelt und sich fragt, warum, wieso, weshalb das so gelaufen ist. Deswegen hat auch dieser Beruf, das Trainerdasein, seine Schattenseite. Zudem bekommt man auch immer nur Zeitverträge. Man muss also unterm Strich immer erfolgreich sein, um seinen Job zu behalten. Es ist also auch immer ein bisschen Druck dahinter.

Was machen Sie, wenn Sie nicht gerade auf dem Platz stehen?

Die Trainerarbeit geht natürlich nicht erst los, wenn man auf dem Platz steht.  Man muss das Training vorbereiten und  man muss wissen, wie viele Spieler man hat. Man muss die Trainingseinheit vorbereiten und wissen, wie die Intensität dieser sein soll. Zudem muss man Schwächen aus dem letzten Spiel kennen, um diese abzustellen. In den Bereichen müssen wir dann trainieren, aber natürlich auch gucken, wo unsere Stärken sind und wo wir auf jeden Fall dranbleiben sollten.  Man bereitet das Training  so vor, dass man möglichst die ganze Mannschaft oder einzelne Spieler weiterentwickeln kann und das muss natürlich geplant werden. Dasselbe gilt auch für die Zeit nach dem Training. Man schaut also, wie das Training gelaufen ist und manchmal hat man sich auch gefilmt, um einzelne Szenen noch einmal anzuschauen. Danach muss man natürlich auch noch den nächsten Gegner im Blick haben.  Zudem muss man sich Videomaterial von der gegnerischen Mannschaft anschauen und mit einem Videoanalysten zusammen besprechen, wie wir uns gegen die Mannschaft aufstellen wollen. Es gibt also unheimlich viele Sachen, die eigentlich deutlich länger dauern als die Trainingseinheit auf dem Platz. Diese dauert nicht so lange – zwischen ca.  45 Minuten und  2 Stunden. Die Vorbereitung auf das Spiel und die Nachbereitung frisst hier unheimlich viel Zeit.

Wie lange behält man seinen Posten als Trainer für gewöhnlich?

Da gibt es ein paar Statistiken. Ich glaube, dass ein Trainer durchschnittlich ca. ein Jahr bei einem Verein trainiert.

Wollen Sie in näherer Zukunft einen anderen Beruf ausüben?

In näherer Zukunft nicht, aber ich will auf jeden Fall als Trainer im Fußball bleiben. Trotzdem habe ich mir vorgenommen, diesen Job nicht länger als bis 60 zu machen, da der Beruf eines Trainers sehr anstrengend und sehr nervenaufreibend ist. Aber im Fußball als Scout oder ähnliches zu arbeiten kann ich mir dann vorstellen, dass ich so in sieben oder acht Jahren mal etwas anderes mache und nicht mehr irgendwo vor einer Mannschaft stehe oder auch ständig eine Mannschaft leiten und führen muss.

Jetzt zum Team:  Welche Mannschaft ist zur Zeit eine Ihrer stärksten Rivalen?

Es gibt Mannschaften wie zum Beispiel Schalke 04, die sind jetzt nicht in unserem Bereich, sind aber enorm stark.  Wir könnten gegen diese Mannschaft gewinnen, wir können gegen sie Punkte holen, aber die Chance würde jetzt nicht so groß sein. Unsere Mannschaften, auf die wir schauen müssen,  sind die Mitaufsteiger Dynamo Dresden, Ingolstadt  sowie Sandhausen und Aue – das  sind unsere direkten Konkurrenten,  an denen und mit denen wir uns messen müssen und da sind die direkten Duelle gegen diese Mannschaften wichtig. Derzeit sind es  auch viele neue Mannschaften, gegen die man spielt, aber einen direkten Rivalen gibt es zurzeit nicht.

Welche Mannschaft empfinden Sie als Ihren Lieblingsgegner?

Also einen direkten Lieblingsgegner habe ich eigentlich nicht. Es war mal eine Zeit lang Magdeburg, dann war es mal Wiesbaden, gegen die haben wir eigentlich immer gewonnen, aber irgendwann war das dann auch vorbei. Es sind ja jetzt viele neue Mannschaften, gegen die wir spielen, aber dass man jetzt sagt, man hat einen Lieblingsgegner – nein, so ist es nicht.

Was denken Sie, hält Ihr Team zusammen?

Wichtig ist erst einmal, dass man sich auf sein gemeinsames Ziel konzentriert und da ist für uns natürlich  klar, dass wir die Klasse halten wollen. Das ist für uns zunächst so am wichtigsten und dafür brauchen wir alle. Das versuchen wir den Jungs ein Stück weit zu vermitteln. Wir haben ja auch einen Kader von 27 Spielern, ihr wisst ja auch, dass erst einmal nur elf von ihnen auflaufen können.  Das heißt, wenn man jetzt 27 minus 11 rechnet, sind das dann 16 Spieler, die nicht unbedingt jubeln und zufrieden sind, weil sie ja  erst einmal nicht von Anfang an spielen und trotzdem muss man eine gute Atmosphäre innerhalb der Gruppe haben. Das ist sehr wichtig, weil wir ja auch alle Spieler brauchen. Es gibt Jungs, die im ersten Moment vielleicht nicht spielen, dann aber unbedingt spielen müssen. Wenn diese dann vorher nicht gut genug trainiert haben, werden sie auch keine gute Leistung bringen. Da ist es dann wichtig, dass wir als Mannschaft zusammenbleiben und eine Mentalität entwickeln, wo jeder für den anderen bereit ist zu kämpfen. Wenn einer auf dem Spielfeld einen Fehler macht, dann muss ich da sein, um diesen auszumerzen. Ich glaube, dass war im letzten Jahr eine große Stärke und das muss  in diesem Jahr auch so sein.

Wird es in naheliegender Zukunft neue Teammitglieder geben?

Geplant ist das nicht. Es könnten im Moment nur arbeitslose Spieler verpflichtet werden und das kann  eben nur der Fall sein, wenn jetzt zwei bis drei Spieler schwerwiegende Verletzungen hätten. Dann müssten wir doch noch einmal gucken, ob wir jemanden finden, der uns eventuell auch verstärken könnte, aber geplant ist es bisher nicht.

Gibt es oft Auseinandersetzungen im Team?

Oft nicht, aber es gibt schon mal Reibereien –  auch im Training und das wollen wir eigentlich auch so, da das eine gesunde „Reibung“ ist. Es darf dann bloß nicht zu viel werden. Besonders in Zweikämpfen will man ja auch zeigen, dass man besser als der andere ist und deswegen gehört das dann auch einfach dazu. Es fliegen auch mal die Fetzen, aber in der Regel kriegt man das relativ schnell wieder hin und die Jungs beruhigen sich dann wieder und wenn sie nach Hause gehen, geben sie sich meistens auch wieder die Hand.

Nun zum Aufstieg in die 2. Liga. Wann stand für Sie fest, dass die Mannschaft aufsteigen wird?

Fest stand es am 22.05.21, nachdem der Schiedsrichter hier abgepfiffen hat,  das Ergebnis auch in Ingolstadt bekannt war und wir dann aufgrund des besseren Punkteverhältnisses direkt aufgestiegen sind. Es stand also wirklich erst in dem Moment fest –  das war Spitz auf Knopf.

Wie reagierten Sie als Trainer auf den Aufstieg?

Ja, da fällt natürlich eine Last von einem ab. Ich bin jetzt seit 2019 hier und es ist ein Traditionsverein, der viele Mitglieder und Fans hat.  Der F.C.  hat auch eine ganze Weile in der Bundesliga gespielt und war auch in der zweiten Liga ganz lange vertreten. Das Ziel des Vereins war es, dann natürlich auch wieder in die zweite Liga zurückzukehren und wenn du das nach 2,5  Jahren wieder schaffst, fällt natürlich eine Last von dir.  Wir hatten ja nicht viel bessere Verhältnisse als die anderen Mannschaften der dritten Liga. Es gab da genügend Vereine, die natürlich auch mehr finanzielle Möglichkeiten hatten als wir und wir haben es dann trotzdem geschafft und das macht dann auch stolz.

Sieht das Training nun anders aus als in der 3. Liga? Müssen die Spieler nun mehr oder härter trainieren?

Grundsätzlich eigentlich nicht. Die Qualität im Training ist durch die neuen Spieler höher als im letzten Jahr. Und trotzdem  müssen wir zusehen, dass das Team physisch auf einem guten Level ist. Wir haben nicht weniger gemacht, aber auch nicht viel mehr als in der letzten Saison. In der 3. Liga ist es auch sehr intensiv, da man einige Spiele mehr als in der 2. Liga zu spielen hat. Es gibt also keinen großen physischen Unterschied.

Wie wichtig sind die Fans für Sie als Trainer?

Sie sind enorm wichtig. Wir hatten aber  gerade in der 3. Liga ein paar Spannungen. Es gab Spiele, die für einzelne Spieler von uns nicht angenehm waren, da sie kritisiert wurden und das im Stadion deutlich zum Ausdruck kam. Dann haben wir uns auch mit den Fans zusammengesetzt und die haben dann auch verstanden, dass diese Kritik dem Spieler in dem Moment nicht hilft. Und wenn es dem Spieler nicht hilft, hilft es auch nicht dem Verein. Im Moment haben wir im Umgang miteinander eine richtig gute Kultur. Die Fans erwarten, dass die Mannschaft auf dem Platz alles gibt für ihren Verein. Sie unterstützen uns auch total. In den letzen Wochen hat das  auch hervorragend funktioniert. Wir sind bis zum Schluss unterstützt worden –  auch in den ersten zwei Spielen gegen Karlsruhe und Dynamo Dresden. Wir sind froh, dass wir zurzeit so ein gutes Verhältnis zwischen Mannschaft und Fans haben.

Wie empfinden Sie und die Spieler die Süd-Tribüne?

Naja, das sind die, die für die Grundstimmung verantwortlich sind und den meisten Radau machen – also den größten Lärmpegel erzeugen und damit dann natürlich auch das ganze Stadion mitnehmen können. Der Funke geht immer von dort aus und springt dann über und dann muss es halt auf dem Platz mit Intensität, Aggressivität und Leidenschaft zurückgezahlt werden und dann  springt der Funke auch auf das ganze Stadion über –  die Süd-Tribüne hat schon eine wichtige Rolle.

Erinnern Sie sich an ein entscheidendes Ereignis, das mit einem Fan im Zusammenhang stand?

Da muss ich jetzt ein Stückchen weiter zurück. Das hat jetzt auch nichts mit Hansa zu tun, sondern es war in Magdeburg. Da hat ein Magdeburger Fan, das Ende ist immer noch nicht geklärt, sein Leben verloren. Er ist aus dem Zug heraus“gesprungen“ – entweder, weil er geschubst wurde oder weil er Angst hatte. Er ist dann aufgrund dieses Sturzes verstorben. Solche Sachen nimmst du dann natürlich mit, weil das mit Fußball nichts mehr zu tun hat. Gewalt darf da keine Rolle spielen, schon gar nicht, wenn andere so  ihr Leben verlieren – das ist ein sinnloser Verlust. Das wünsche ich mir bei aller Rivalität, die es auch zwischen einzelnen Vereinen und Fangruppen geben kann. Es  darf nie so weit gehen, dass Leib und Leben Schaden nehmen. Das wünschen wir uns auch bei  aller Rivalität. Man muss immer noch mit dem Shirt seines Vereins auch mal am Strand langgehen können, ohne hier  Gefahr zu laufen,  Schläge zu kassieren.

Wir danken Ihnen nochmals für das Interview und drücken die Daumen für die anstehenden Spiele.